Richard Francis Burton und John Hanning Speke, zwei britische Afrikaforscher, erreichten im Februar 1858 auf der Suche nach den Quellen des Nils den Tanganjikasee. Sie folgten einer Karte des deutschen Missionard J.J. Erhardt, der wiederrum durch afrikanische Händler von einem Binnenmeer namens "Uniamesi"[1] erfuhr. Schon Erhardt hörte durch Einheimische von der Superlative des See´s und beschreibt unter anderem:, "I had heard of a mighty inland sea, the end of which was not to be reached even after a journey of 100 days."[2]
Der Tanganjikasee - zweitgrößter See Afrikas
Heute sind die Ausmaße und Begebenheiten des See´s weitgehend bekannt. Der Tanganjikasee ist der zweitgrößte See Afrikas und das zweittiefste Binnengewässer der Erde[3]. Er liegt im westlichen Teil des Ostafrikanischen Grabens und ist der größte Grabensee Afrikas. Mit seinen ca. 18.880 km³ Volumen liefert er nach dem Baikalsee das weltweit zweitgrößte Süßwasserdepot[4]. Die Seetiefe beträgt im Durchschnitt 570 m, sein tiefster Punkt liegt allerdings im nördlichen Teil und beträgt stolze 1470 m - zum anschaulichen Vergleich - versetzt man die höchste Erhebung des deutschen Mittelgebirges, den Feldberg mit 1.493 m, in den See, so schauen nur noch wenige Zentimeter aus dem Wasser. Der Fichtelberg mit 1.215 m und der Brocken im Harz mit 1.141 m verschwinden ganz.
Der Tanganjikasee, ist wie der Malawisee, ein Langzeitsee und in seinen tiefen Schichten handelt es sich um fossiles Wasser. Wasser welches in tiefen Erdschichten vorkommt und bereits seit langen Zeiträumen keinen Kontakt mehr mit der Erdatmosphäre oder Oberflächenwasser hat, nennt man fossiles Wasser. Die tiefsten Wasserschichten sind dann dauerhaft von der Atmosphäre abgeschnitten, wenn es keine natürliche jahreszeitliche Durchmischung des Wassers gibt. Entsprechend der biologischen Gegebenheiten des See´s, kommt Leben nur in Tiefen bis zu maximal 200 m vor.
Über 300 verschiedene Fischarten
Im See wurden bisher über 300 verschiedene Fischarten entdeckt, die zu 95 % endemisch sind und deren Lebensräume in verschiedene Uferbiotope unterteilt sind.
Das Felslitoral ist das artenreichste Biotop des See´s und bietet den Lebensraum für etwa 60 Arten aus 20 Gattungen[5] .Oft als Steilküste, ohne Flachwasserbereich angelegt, ist das Wasser sehr lichtdurchlässig, klar und sauerstoffreich. Wasserpflanzen in dem Sinne finden sich dort kaum, da der Untergrund nicht geeignet ist. Die Felsen sind mit Algengras überzogen, die gleichzeitig eine Nahrungsquelle für viele seiner Bewohner darstellt. Dabei sind die Algen selbst Nahrung, aber auch die darin lebenden Kleintiere und Mikroorganismen. Für seine Bewohner bedeutet das Felsbiotop hauptsächlich hohes Nahrungsangebot und durch die mehr oder weniger breite Brandung, turbulentes Wasser. Durch die Wasserbewegung bleibt die Temperatur relativ konstant[6]. Die großen und kleineren Vorsprünge und Nischen der Felsen werden genutzt als Versteck für Gelege und als Unterschlupf.
Eine zweite Uferformation ist das Geröllufer. Der flache Uferbereich besteht aus Geröll, Kies und kleineren Steinen. Dieser Lebensraum bietet kleinen Fischgattungen zahlreiche Versteckmöglichkeiten und der hier ebenfalls vorkommende Algenbewuchs wird zur Nahrungsgrundlage und "Vorratskammer" an Insektenlarven und Kleinstlebewesen.
Das Sandufer schließt sich diesem Uferbereich an und ist das am wenigsten artenreiche und belebte, direkte Uferareal. Grund dafür könnten fehlende Versteckmöglichkeiten sein. Die hier lebenden Fische ernähren sich, indem sie den Sand durchkauen.
Die Übergänge zwischen Fels-, Geröll- und Sandzonen sind bevorzugte Lebensräume von Fadenmaulbrüterarten. Nur in diesem Bereich sind die geeigneten Voraussetzungen für die hochspezialisierte Fortpflanzung und Ernährungsweise dieser Gattungen geschaffen und damit eine direkte Folge des Endemorismus[7].
Im Tanganjikasee ist das Vorkommen von hochwüchsigen Wasserpflanzen eher gering, hauptsächlich finden sich diese am Sandufer und werden beispielsweise von pflanzenfressenden Buntbarscharten bewohnt.
Durch den Zufluss leben im Uferbereich, rund um die Flussmündungen, einige nichtendemische Buntbarscharten und Karpfenfische. Die Hauptzuflüsse des Tanganjika sind der Ruzizi, der Kalambo und der Malagarsi, über den Lukuga führt der Abfluss des See´s in die Demokratische Republik Kongo. Der Pflanzenbewuchs auf lehmigen Untergrund ist hier wesentlich opulenter als in den anderen Uferregionen und während der Regenzeit verwandelt sich das Wasser dort in einen braunen Sud.
Der Artenreichtum des See´s konzentriert sich hauptsächlich in der Geröllzone, am Felsufer und, im Verhältnis zur Größe betrachtet, auch an den Flussmündungen. Im Freiwasser, dem uferferneren Wasser, finden sich nur wenige Arten, die sich hauptsächlich von Plankton ernähren und wiederrum selbst zur Nahrungsquelle einiger größerer Buntbarschgattungen gehören. Im Tanganjikasee hat sich keine eigentliche Tiefseefauna entwickeln können, da das Wasser unterhalb 125 m für die Fische keinen Lebensraum bietet, da die Konzentration von Schwefelwasserstoff für Fische zu hoch ist[8].
Das Umland
Der See wird an seinen Ufern von der Demokratischen Republik Kongo im Westen, Tansania im Osten, von Sambia im Süden und Burundi im Norden, begrenzt, wobei die Demokratische Republik Kongo und Tansania mit etwa 40 % jeweils den größten Anteil am See haben. Zirka 45.000 Menschen leben in kleinen Dorfgemeinschaften entlang des See´s und seit Jahrhunderten in erster Linie vom Fischfang. Mit kleinen Booten fahren die Fischer jeden Tag auf den See, breiten ihre Netze aus und fangen vor allem Stolothrissa und Limnothrissa, eine Hering- und Sardinengattung, die in großen Schwärmen im Freiwasser vorkommen[9].
Die MS Liemba
Durch zum Teil zerklüftetes Hinterland sind viele kleinere Dörfer nur uferseits zu erreichen, sodass es rund um den See kleinere Fischerhäfen und Fährverbindungen gibt. In zahlreichen Publikationen wird die MS Liemba als bekanntestes Fährschiff erwähnt. Sie ist deutschen Ursprungs und wurde 1913 von einer norddeutschen Werft in Papenburg gebaut, wieder in Einzelteile zerlegt und in Kigmo, einer Hafenstadt in Tansania, zusammengebaut. 1915 wurde sie unter dem Namen Graf Goetzen zu Wasser gelassen. Die Versetzung des Fährschiffes nach Afrika diente dem Machterhalt der damaligen Kolonialherrschaft Deutschlands in Ostafrika. Damit sollte eine Verkehrsinfrastruktur entwickelt und aufgebaut werden. Mit dem Verlust der kolonialen Ansprüche an Belgien und Großbritannien versenkten die Deutschen das Schiff. 1924 wurde das Schiff wieder gehoben, befand sich in einem sehr guten Zustand und wurde wieder hergerichtet. Die Geschichte der MS Liemba ist seither von kriegerischen Auseinandersetzungen rund um den Tanganjikasee und technischen Problemen durchzogen, sodass sie nicht immer im Einsatz war. Allerdings wurde sie insoweit instandgesetzt, dass sie bis zum heutigen Tag als Fähr- und Versorgungsschiff eingesetzt wird.
Eine Welt der Superlative
Der Tanganjikasee und dessen Umgebung ist eine Region unserer Erde voller Superlative, seine wilde Anmut wird ebenso beschrieben, wie seine malerische Schönheit, aber auch der manchmal raue Charakter. Sein Artenreichtum ist weit über seine Grenzen hinaus bekannt und viele Aquarianer träumen nicht nur von einem schönen Besatz an Fischen aus dem See zuhause, sondern von einem Besuch der biologischen, geologischen und anthropologischen Besonderheit.
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[1] Vgl. Krapf, J.L.: Travels, Researches, and Missionary Labors During an Eighteen Years Residence in Eastern Africa, Together With Journeys to Jagga, Usambara, Ukambani, Shoa, Abessinia and Khartum, and a Coasting Voyage from Mombaz to Cape Delgado, in:
http://www.forgottenbooks.com/readbook_text/Travels_Researches_and_Missionary_Labors_During_an_Eighteen_Years_1000026917/443 (12.02.2016).
[2] Vgl. ebd. page 403.
[3] Vgl. Konings, Ad: Tanganjika-Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum, o.O., 1999, Seite 10.
[4] Vgl. Dr.sc.Dr.h. c. Sterba (em.), Günther: Süßwasserfische der Welt, genehmigte Lizensausgabe, Augsburg, 2002, Seite742.
[5] Vgl. ebd.: Seite 743.
[6] Vgl. Konings, Ad: Tanganjika-Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum, o.O., 1999, Seite 26.
[7] Vgl. Loose, Siegfried: Fadenmaulbrüter im Tanganjikasee. Lebensräume, Arten, Pflege und Zucht, Ettlingen, 2006, Seite 31.
[8] Vgl. Dr.sc.Dr.h.c. Sterba (em.), Günther: Süßwasserfische der Welt, genehmigte Lizensausgabe, Augsburg, 2002, Seite 743.
[9] Vgl. Loose, Siegfried: Fadenmaulbrüter im Tanganjikasee. Lebensräume, Arten, Pflege und Zucht, Ettlingen, 2006, Seite 11.